LIMINAL
Pavillon Lemme, Sion, 2022
Liminalität bezeichnet einen Schwellenzustand, beschreibt den Übergang von einem Raum in einen anderen. In dieser Zone der Transition herrscht Desorientierung, Mehrdeutigkeit, die bis anhin geltende Ordnung wird über den Haufen geworfen – alles scheint möglich, Freiheit regiert. Gleichzeitig kann dieser Schwellenzustand auch Unsicherheit und Angst auslösen. Der Begriff wurde um 1900 in der Anthropologie geprägt und beschreibt hier den «mittleren Raum» von Übergangsriten, beispielsweise zwischen Kindheit und Erwachsensein. Liminalität kann sich auf verschiedene Subjekte und deren Transformationsprozesse beziehen: Individuen, soziale Gruppen, Gesellschaften und ganze Zivilisationen. Gleichermassen manifestiert sie sich in Objekten, Räumen und Orten. So erstaunt es nicht, dass der Begriff in Psychologie und Psychoanalyse, Philosophie, postkolonialer Theorie und poststrukturalistischen Ansätzen, u. a. Gender und Queer Studies fruchtbar gemacht wird. Besonders die Literatur- und Filmtheorie beschäftigt sich mit liminalen Räumen…. Sind es auch diese Räume der Anziehung und Abstossung, der aufregendsten Mehrdeutigkeit und Unsicherheit, die Ilona Ruegg faszinieren? In welche sie ihre Kunst als Erzählung einbringt, oder welche sie erst schafft?
Josiane Imhasly (Kuratorin)
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